Von Bohnen und Ponzichtern
Bohnen sind auch nach 100 Jahren nicht aus der Küche des Burgenlandes wegzudenken – Bohnensterz, Bohnenstrudel und Bohnensuppe schmecken immer noch. Und doch gelten Bohnen als Arme-Leute-Essen. Die Ponzichta-Initiative in Loipersbach, mitten im Naturpark Rosalia-Kogelberg, nimmt sich dem alten Saatgut und seiner Geschichte wieder an. Und die Bohne erlebt eine Renaissance in der modernen Küche.
Dass die Bohne und das Burgenland so eng verbunden sind, mag einerseits am warmen pannonischen Klima liegen, andererseits aber an einer Symbiose, die hierzulande nur Erfolg haben konnte: die Bohne verträgt sich ausgezeichnet mit dem Wein.
Früher wurden Bohnen nicht nur in den Haus- und Bauerngärten zur Selbstversorgung angebaut, sondern auch zwischen den Rebzeilen. Der Platz war gut genutzt, denn die Bohne ist eine Pflanze, die Stickstoff in die Erde bringt – und damit eine natürliche Bodendüngung bewirkt!
Die alte Symbiose zwischen Wein und Bohne hat bereits Aufmerksamkeit erregt. Das Bioweingut Schreiner aus Rust will in zwei Weingärten in die Fußstapfen der Großeltern treten und alte Sorten auspflanzen. Die Bohnen werden wohl selbst gegessen, doch auch Böden und Lebewesen profitieren von mehr Vielfalt im Weingarten, sind die Bio-Winzer sicher.
Bohnen-Initiative in Loipersbach
Die Formenvielfalt, der Bohne, ihre ernährungsphysiologischen Vorzüge, aber auch ihre historische Verankerung in der Region zwischen Rosalia, Sopron und Neusiedler See, hat den Lebensmitteltechnologen Roland Pöttschacher dazu bewogen, sich der Bohne anzunehmen.
„Begonnen hat alles mit einer Handvoll Bohnen, deren Musterung und Form begeistert haben und einem Aufruf im Dorf. Denn schnell war die Idee geboren, die alten Bohnensorten im Dorf zu sammeln um sie vor dem Vergessen zu bewahren“, erzählt Pöttschacher. So startete die Initiative Ponzichter Loipersbach.
Er begann damit altes Saatgut zu sammeln und suchte in den Kellern und Dachböden der alten Bauernhöfe, auf den Märkten im Burgenland und Sopron und bei Saatguterhaltern wie der Arche Noah in Schiltern. In seinem Sortengarten am ehemaligen „Krautacker“ in Loipersbach pflanzt er die so gefundene Sortenvielfalt wieder an – und versucht damit, das Saatgut zu bewahren. Denn nicht alle alte Bohnen sind noch keimfähig, manchmal sind es nur ein paar wenige Pflanzen, die tatsächlich wieder austreiben. Doch Anpflanzen bedeutet auch Vermehrung und so holt Pöttschacher Raritäten ins Leben zurück.
Denn weltweit sind über 700 Bohnensorten bekannt, die in allen farblichen Schattierungen zwischen weiß und tiefschwarz, von rosa, violett und braun bis gesprenkelt und gemustert erscheinen! Eine bunte Vielfalt also, die sich auch geschmacklich unterscheidet. An die hundert Sorten, darunter ein gutes Dutzend, die speziell in unserer Region angebaut wurden, hat Roland Pöttschacher bereits gesammelt! Sein Ziel ist es aus seinem Sortengarten einen Lehrgarten zu machen, in dem die Vielfalt der Bohne weitergegeben werden kann.
Bohnen-Freunde gesucht
Roland Pöttschachers ist immer an altem Saatgut, aber auch historischen Geschichten oder Rezepten rund um die Bohne interessiert! Auch Menschen, die Saatgut vermehren möchten, oder Manufakturen, die die Bohne veredeln wollen, sind gefragt!
Farbe, Form und Geschmack in tausendfacher Varietät
So vielfältig die Bohnen auch in Form und Farbe sind, so bunt sind auch ihre Namen. Kulinarisch besonders interessant ist dabei, dass verschiedene Sorten auch unterschiedlich schmecken: von maroni- bis butterartig kann alles dabei sein. Die Rindsuppenbohne, die Roland Pöttschacher wiederentdeckte, soll Suppen eine schöne Farbe und kräftigen Geschmack verliehen haben, der an Rindsuppe erinnert. Die Rot-Weiß-Gescheckte hat einen feinen Geschmack nach Maroni/Kestn.
Käferbohne, Mondbohnen, Heanzenbohne, Limabohne, Rindsuppenbohne, Rot-Weiß-Gescheckte, Menyecske-Bohne, Boahschoarl, Sechswochen-Bohne: Namen, Farben und Geschmack sind die pure Vielfalt
Die Ponzichter von Sopron
Auf Spurensuche ging Roland Pöttschacher auch in Sopron, dem alten Ödenburg, das vor der Teilung von Ungarn und dem Burgenland auch von deutschsprachigen Bürgern besiedelt war. Ein Teil der Altstadt erinnert mit seinem Namen Poncichter/Ponzichter-Viertel an sie. Sie bauten in den Weingärten Richtung Neusiedler See Wein an, und galten als fleißige Bauern, die ihre landwirtschaftliche Erzeugnisse bis Wien verkauften. Zwischen den Traubenstöcken pflanzten sie Bohnen und anderes Gemüse wie Zwiebeln, und Knoblauch an. Einerseits um den Platz zu nutzen, aber auch, um Ernteausfälle beim Wein abzufedern. So wurde aus dem Spitznamen einer Volksgruppe der Namengeber für die Loipersbacher Ponzichter-Initiative.
Und auch heute noch gibt es in Sopron auf den Märkten eine bemerkenswerte Sortenvielfalt zu finden.
Mal reinhören: Wie hört sich Bohne bei den Heanzen an?
Bio-Bohnen im großen Stil
Wo Roland Pöttschacher die Grundlagen legt, arbeitet Harald Strassner aus Pöttsching weiter. Denn der Biobauer will die Bohne für den landwirtschaftlichen Anbau fit machen. Er sucht nach Sorten, die sich für die Bearbeitung mit Maschinen eignen, denn auch er sieht Zukunftspotential in der Bohne. Um im größeren Stil anbauen und ernten zu können, hat er nun eine eigene Erntemaschine für die Buschbohnen auf seinen Feldern gekauft. Dabei experimentiert er gerne mit Sorten und bevorzugt regionaltypische, die an unser Klima gut angepasst sind. Sei Ziel ist aber, Mengen zu produzieren, mit der man Handel und Gastronomie beliefern kann.
Auch bei der Bohne war zu beobachten, dass das regionale Bewusstsein bereits verloren schien – Bohnenanbau und Direktvermarktung verschwanden beinahe gänzlich. Nun will der Bio-Landwirt Harald Strassner neue Perspektiven und kreative Ideen rund um die Bohne entwickeln, nicht zuletzt um Tierleid zu verhindern.
Biologischer Anbau und Sortenvielfalt sind für Harald Strassner seit er als Maturant mit der Landwirtschaft begonnen hat, die wesentlichen Säulen seiner Arbeit. Der Industrialisierung der Lebensmittel wieder Geschmacks- und Sortenvielfalt entgegenzusetzen, eine zentrale Motivation. Heute arbeitet er nach biozyklisch-veganen Standards. Dabei ist der komplette Produktionszyklus vegan, was sowohl tierischen Dünger, als auch die Erzeugung von Futtermitteln für Tiere ausschließt.
Auch an verarbeiteten Bohnen-Produkten tüftelt Strassner: „Denn die getrocknete Bohne, die man erst einweichen muss, ist vielen zu kompliziert, um sie in die tägliche Ernährung einzubauen. Diese Lagerfähigkeit ist zwar eine wunderbare Eigenschaft der Bohne, aber oft muss es schneller gehen“. Momentan sind seine Bio-Bohnen als „Terra Rosalia“-Bohnen im Handel zu finden.
„Bohnen wollen die Glocken hören“ sagte man früher – also nicht zu tief einsetzen!
Bohnen: vegan & proteinreich
Ihren Ruf als Arme-Leute-Essen verdankt die Bohne auch den Hungersnöten in den Weltkriegen. Diese wurden durch Hilfslieferungen an Bohnen und anderen Hülsenfrüchten gemildert. Denn die Bohne ist ein leicht zu lagerndes, sehr haltbares und ergiebiges Grundnahrungsmittel.
Genau diese Eigenschaften sichern ihr aber auch ihren Platz in der modernen Ernährung, die zunehmend nach fleischlosen Alternativen sucht. Das passt auch zu einem gesunden, ressourcenschonenden, vegetarischen oder veganen Lifestyle. Nur wenige andere Pflanzen kommen an den pflanzlichen Proteingehalte der Bohne heran.
Auch die Anti-Aging Forschung ist schon auf die Bohne gekommen. Das Spermidin, das reichlich in Bohnen enthalten ist, soll die Zellerneuerung anregen, denn es unterstützt den Abbau von zellschädigenden Substanzen.
„Die Bohne ist mit der Region verbunden, aber auch ein sehr modernes Lebensmittel“, knüpft Pöttschacher die Verbindung zwischen Geschichte und Zukunft.
Und das erschöpft sich auch nicht mehr in Bohnensterz, gerade im Bereich von Süßspeisen, entfaltet sich gerade eine große Kreativität! Denn genau dies ist Genuss aus dem Burgenland.
Rezept: Bohnen-Pralinen
Roland Pöttschachers Mutter Gudrun hat eine schokoladige Praline aus der Grundzutat Bohne entwickelt. Diese verlockende Süßigkeit ist vegan und glutenfrei. Die Vollwert-Bäckerin Tante Dea hat das Pralinen-Rezept bereits aufgegriffen. Bei ihr kann man die Pralinen – momentan gegen Vorbestellung – kaufen.
Die Zutaten:
- 500 g gekochte Bohnen
- 4 El Kakao
- Zucker nach Belieben
- 1 bis 2 Schuss Rum
- Aromazutaten wie Vanillemark oder Orangenzesten
- 4 El Kokosraspel oder Schokostreusel
Die Zubereitung:
Die gekochten Bohnen mit einem Pürierstab oder in der Küchenmaschine fein pürieren. und dabei so wenig Wasser wie möglich zugeben. Die Masse sollte relativ fest sein. Kakao, Rum und die Aroma-Zutaten einrühren und nach Geschmack süßen. Es entsteht eine nougatähnliche Konsistenz. Aus der Masse kleine Kugeln formen und diese in den Kokosflocken oder Schokostreuseln wälzen.
Fotos: Weiß/Genuss Burgenland, Roland Pöttschacher, Fam. Grössing, Petra Braunrath, pixabay